Heidelberg,
28
September
2021
|
10:45
Europe/Amsterdam

Sichelzellkrankheit: Frühe Behandlung kann Überleben und Lebensqualität betroffener Kinder verbessern

Zusammenfassung

Vorarbeiten von Dietmar Hopp Stiftung gefördert / Rechtzeitige Bluttransfusionen und regelmäßige Penizillingaben reduzieren Krisen und Klinikaufenthalte

Fünf Kinder mit Sichelzellanämie, einer vor allem in südlichen Ländern häufigen Bluterkrankung, sind im Rahmen des erweiterten Neugeborenenscreenings am Dietmar-Hopp-Stoffwechselzentrum des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) seit Juli 2021 entdeckt worden. Für die Kinder bedeutet die frühe Diagnose, dass durch die passende ärztliche Versorgung frühe, auch tödliche Komplikationen vermieden werden können und die Krankheit abgemildert werden kann. Ein Teil der Patienten kann durch eine Stammzelltransplantation geheilt werden.

Bei Menschen mit Sichelzellkrankheit ist der rote Blutfarbstoff, der den Sauerstofftransport im Blut gewährleistet, abnorm verändert. In der Folge verformen sich z.B. bei körperlicher Anstrengung die roten Blutzellen zu den namensgebenden, sichelförmigen Gebilden. Diese verklumpen, verstopfen Blutgefäße und verursachen so sehr schmerzhafte, zum Teil lebensbedrohliche Durchblutungsstörungen. Bereits in der Kindheit kann es zu Organschäden wie Schlaganfall, Lungen- und Nierenversagen kommen. Weil die deformierten Blutkörperchen nur kurz überleben, kommt es zudem zur Blutarmut.

Das neu eingeführte Screening auf Sichelzellkrankheit baut unter anderem auf Vorarbeiten der Heidelberger Kinderklinik auf: In einem 2014 gestarteten und von der Dietmar Hopp Stiftung mit 148.000 Euro finanzierten Pilotprojekt hatte das Team um Prof. Dr. Andreas Kulozik, Ärztlicher Direktor der Klinik für Pädiatrische Onkologie, Hämatologie, Immunologie und Pneumologie am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg, und Privatdozent Dr. Joachim Kunz das Testverfahren in einem anonymen Probe-Screening etabliert. Ein von der Deutschen Kinderkrebsstiftung gefördertes und in Heidelberg koordiniertes Register für Patienten mit Sichelzellkrankheit zeigte zudem, dass die Erstdiagnose bisher bei zwei Dritteln der Patienten erst jenseits des ersten Lebensjahres gestellt wurde – zu spät, um frühen Komplikationen wirksam zu begegnen. „Je nach Verlaufsform können erste Symptome ab dem Alter von drei Monaten auftreten. Im Alter von drei Jahren leiden viele betroffene Kinder ohne Behandlung bereits unter starken Schmerzen. Außerdem kann es zu lebensgefährlichen Infektionen und schon im Vorschulalter zu Schlaganfällen kommen“, erklärt Dr. Joachim Kunz.

Bei einer frühen Diagnose können einige einfache Maßnahmen dazu beitragen, die Häufigkeit der Krisen zu reduzieren. Die Eltern werden dazu angeleitet, täglich die Milz der Kinder abzutasten. In der überlasteten, angeschwollenen Milz kann das Blut regelrecht versacken. Das Kind benötigt dann, wie bei einer schweren inneren Blutung, rasch eine Bluttransfusion. Die Milz ist bei Betroffenen zudem meistens nicht mehr in der Lage, ihre Funktion in der Krankheitsabwehr zu erfüllen: Es können Blutvergiftungen auftreten, weil Bakterien in die Blutbahn gelangen. Tägliche Penizillingaben verhindern diese zu 90 Prozent. Über ein weiteres Medikament (Hydroxyurea) wird das Knochenmark dazu angeregt, einen alternativen, funktionsfähigen Blutfarbstoff zu bilden, der normalerweise nur bei un- und neugeborenen Kindern gebildet wird. „Alle diese Maßnahmen beugen Krisen vor, können sie aber nicht vollständig verhindern. Am wirksamsten ist eine Stammzelltransplantation, wenn ein passender Spender, bestenfalls ein gesundes Geschwisterkind, gefunden werden kann“, so der Kinderhämatologe.

 

Kontakt

Priv.-Doz. Dr. Joachim Kunz
Klinik für Pädiatrische Onkologie, Hämatologie, Immunologie und Pneumologie
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
E-Mail: Joachim.Kunz@med.uni-heidelberg.de