Ein Vitamin‑B12-Mangel bei Neugeborenen wird meist durch einen mütterlichen Vitamin‑B12-Mangel verursacht. Unerkannt führt ein schwerer Vitamin‑B12-Mangel beim Kind zu irreversiblen neurologischen Schädigungen. Eine Früherkennung durch das Neugeborenenscreening wird derzeit in Pilotprojekten evaluiert. Für die Behandlung des Vitamin‑B12-Mangels im Neugeborenen- und Säuglingsalter wird häufig zunächst eine intramuskuläre Applikation von Vitamin B12 verwendet. Als Alternative wird von den Autoren ein ausschließlich orales Supplementationsschema mit Vitamin B12 vorgestellt.

Hintergrund

Ursachen des Vitamin-B12-Mangels

Ein Vitamin‑B12-Mangel bei Neugeborenen ist meist maternal bedingt, beispielsweise durch zu geringe Aufnahme von Vitamin B12 über die Nahrung im Rahmen einer veganen oder vegetarischen Ernährung oder unerkannte gastrointestinale Resorptionsstörungen bei der Mutter. Beim Kind führt ein schwerer, unerkannter Vitamin‑B12-Mangel zu irreversiblen neurologischen Schädigungen und einer dauerhaften Entwicklungsstörung, die meist erst im zweiten Lebenshalbjahr klinisch erkannt wird [7, 14, 27]. Patienten mit Vitamin‑B12-Mangel, die erst symptomatisch diagnostiziert werden, zeigen nach Beginn der Supplementation mit Vitamin B12 zwar eine Besserung der Symptome, die neurologischen und intellektuellen Langzeitergebnisse dieser Patienten belegen aber häufig deutliche bleibende Beeinträchtigungen [3, 7, 14, 23]. Wird ein Vitamin‑B12-Mangel hingegen früh präsymptomatisch erkannt und erfolgen therapeutische Gaben von Vitamin B12, kann dem Kind durch die frühe Behandlung eine normale Entwicklung ermöglicht werden. Unter der Voraussetzung einer effektiven Screeningstrategie aus Trockenblutproben erscheint uns der Vitamin‑B12-Mangel somit auch eine geeignete neue Zielkrankheit für das Neugeborenenscreening [8, 22].

Im Jahr 2017 erschien in der Monatsschrift Kinderheilkunde eine Kasuistik von Frau Dr. Franssen et al. zum Vitamin‑B12-Mangel bei Säuglingen, bedingt durch eine vegane Ernährung der Mutter [5]. Hierzu verfassten wir einen Kommentar im Leserforum zur Möglichkeit der Früherkennung des Vitamin‑B12-Mangels im Neugeborenenscreening im Rahmen von aktuellen Pilotprojekten [10]. Mittlerweile wurden im Rahmen solcher Projekte bereits zahlreiche Kinder mit maternal bedingtem Vitamin‑B12-Mangel identifiziert und früh behandelt [8, 22, 26]. Mit einer Inzidenz von bis zu einem betroffenen Kind unter 5300 untersuchten Neugeborenen war im Pilotprojekt „Neugeborenenscreening 2020“ am Screeningzentrum Heidelberg der maternal bedingte Vitamin‑B12-Mangel häufiger als jede andere der metabolischen Zielkrankheiten des aktuellen Regelscreenings in Deutschland [4, 8, 12]. Für die Behandlung des Vitamin‑B12-Mangels im Neugeborenen- und Säuglingsalter wird bislang häufig zunächst eine parenterale, intramuskuläre Applikation von Vitamin B12 verwendet. Als Alternative wird von den Autoren hier ein ausschließlich orales standardisiertes Supplementationsschema mit Vitamin B12 vorgestellt. Zusätzlich werden mögliche Ursachen des Vitamin‑B12-Mangels bei Mutter und Kind sowie Empfehlungen zur Diagnostik dargestellt.

Früherkennung durch Neugeborenenscreening auf Vitamin-B12-Mangel

Im Rahmen von aktuellen Pilotprojekten zur Erweiterung des Neugeborenenscreenings um bis zu 27 zusätzliche Zielkrankheiten einschließlich des Vitamin‑B12-Mangels in einzelnen Screeningzentren, z. B. München, Hannover und Heidelberg, wurden mittlerweile bereits mehr als 100 Kinder mit maternal bedingtem Vitamin‑B12-Mangel identifiziert [8, 22, 26]. In diesen Pilotprojekten werden sog. Second-tier(Zwei-Stufen)-Strategien angewendet, bei welchen in einem Teil der Proben nach Auffälligkeiten von Primärparametern im Screening mittels Tandemmassenspektrometrie aus derselben Blutprobe weitere, für die jeweilige Zielkrankheit deutlich spezifischere Metaboliten bestimmt werden.

Vitamin B12 ist essenziell für die Funktion der Enzyme Methionin-Synthase und Methylmalonyl-CoA-Mutase. Durch Beeinträchtigung der enzymatischen Reaktionen infolge eines Vitamin‑B12-Mangels kommt es zu einem Anstieg der sog. „funktionellen Marker“ Homozystein und Methylmalonsäure sowie ggf. von Methylcitrat. In Abhängigkeit von den für das Screening gewählten Algorithmen finden sich unterschiedliche Häufigkeiten des im Neugeborenenscreening detektierten Vitamin‑B12-Mangels zwischen 1:30.000 Neugeborenen bei Anwendung einer Second-tier-Strategie mit Bestimmung von Methylmalonsäure [22] und 1:5300 Neugeborenen bei Anwendung von 2 Second-tier-Strategien mit Bestimmung von Methylmalonsäure, Methylcitrat [20] sowie von Homozystein [6] aus einer Neugeborenenscreeningprobe [8, 9]. Unter 176.702 Neugeborenen fanden wir im Heidelberger Pilotprojekt unter Anwendung von 2 Second-tier Strategien 33 Kinder mit bestätigtem maternal bedingtem Vitamin‑B12-Mangel [8, 12]. Die Häufigkeit von 1:5300 betroffenen Neugeborenen umfasst allerdings neben schweren Formen des Vitamin‑B12-Mangels, bei denen ohne frühe Behandlung ein hohes Risiko bleibender Schädigungen für das Kind besteht, auch leichtere Formen, deren klinische Bedeutung bisher noch nicht abschließend geklärt ist.

Diagnostik des Vitamin-B12-Mangels

Empfehlungen zur Labordiagnostik bei Verdacht auf Vitamin‑B12-Mangel und zur Verlaufskontrolle unter Therapie sind in Tab. 1 zusammengefasst. Die alleinige Bestimmung des Vitamin‑B12-Spiegels ist nicht ausreichend, da ein schwerer funktioneller Vitamin‑B12-Mangel (erkennbar durch Erhöhung der funktionellen Marker Homozystein und/oder Methylmalonsäure) bereits bei Vitamin‑B12-Spiegeln im unteren Normbereich vorliegen kann [11]. Daher sollte die Evaluation des Vitamin‑B12-Status immer auch die funktionellen Marker Homozystein und Methylmalonsäure einschließen.

Tab. 1 Labordiagnostik zur Diagnose und Verlaufskontrolle des Vitamin‑B12-Mangels bei Neugeborenen und Säuglingen

Behandlung des Vitamin-B12-Mangels im Neugeborenen- und Säuglingsalter – orales Supplementationsschema

Für die Behandlung des Vitamin‑B12-Mangels im Neugeborenen- und Säuglingsalter wurde bislang häufig zunächst eine parenterale, intramuskuläre Applikation von Vitamin B12 verwendet [13]. Dieses Therapieregime ist allerdings invasiv und schmerzhaft und somit in seiner Anwendung für die Eltern häufig emotional belastend. Als Alternative wurden orale Behandlungsschemata u. a. für Erwachsene und ältere Säuglinge und Kinder berichtet [2, 15, 25]. Standardisierte Empfehlungen für das Neugeborenen- oder Säuglingsalter gibt es hierzu bislang nicht. Im Rahmen des Pilotprojektes „Neugeborenenscreening 2020“ am Screeningzentrum Heidelberg wurde von den Autoren für die Behandlung von Kindern mit Vitamin‑B12-Mangel nach Detektion über das Neugeborenenscreening eigens ein ausschließlich orales Supplementationsschema mit Vitamin B12 entwickelt und dessen erfolgreiche Anwendung in Bezug auf eine rasche Normalisierung des Vitamin‑B12-Haushaltes des Kindes im Rahmen der Studie dokumentiert und publiziert [8, 12].

Ziel dieser Arbeit

Aufgrund der fehlenden Verfügbarkeit eines standardisierten Behandlungsschemas für die orale Supplementation von Vitamin B12 im Säuglingsalter und zahlreichen diesbezüglichen Nachfragen niedergelassener Kollegen und externer Kliniken möchten wir das von uns entwickelte und erfolgreich angewandte Supplementationsschema hier darstellen.

Standardisiertes orales Behandlungsschema

Zur raschen Normalisierung des Vitamin‐B12-Haushaltes und Auffüllung der Vitamin‐B12-Speicher wird zunächst eine hoch dosierte Supplementation mit Vitamin B12 nach unten genanntem Schema (Tab. 2) durchgeführt. Dieses besteht in der Supplementation von Vitamin B12 0,5 mg/Tag p.o. über 3 Tage in Form eines Flüssigpräparates (z. B. 0,5 ml Vitamin B12 liquid von Pure encapsulations®, Methylcobalamin (pro medico GmbH, Unterhaching, Deutschland), gefolgt von 0,1 mg/Tag p.o. Über die erste Woche sollte zusätzlich auch 0,4 mg Folsäure pro Tag oral verabreicht werden (z. B. Folsan 0,4 mg Tbl.; Teofarma S.R.I. Fabio Ferrara, Valle Salimbene, Italien). Nach ca. 2 Wochen erfolgen eine Kontrolle sämtlicher Laborparameter des Vitamin‑B12-Haushaltes einschließlich der funktionellen Marker Methylmalonsäure und Homozystein (Tab. 1) und eine Fortsetzung der oben genannten Supplementation von Vitamin B12 0,1 mg/Tag bis zum Vorliegen der Laborergebnisse. Bei weiterhin erhöhten funktionellen Markern (selten) würde die orale Supplementation von Vitamin B12 zunächst mit 0,1 mg/Tag fortgeführt. Nach Normalisierung aller Parameter des Vitamin‑B12-Haushaltes (insbesondere der funktionellen Marker Homozystein und Methylmalonsäure) wird während der Stillzeit eine Vitamin‑B12-Supplementation in Erhaltungsdosis von 5 µg/Tag p.o. in Form von Tropfen (z. B. Vitamin B12 Ankermann® Tropfen 2 Tropfen täglich; WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG, Böblingen, Deutschland) bis zur sicheren Einführung fleischhaltiger Beikost bzw. von Vitamin‑B12-haltiger Nahrung fortgeführt.

Tab. 2 Orales Behandlungsschema für den Vitamin B12-Mangel bei Neugeborenen und Säuglingen

Sollte sich die Familie im weiteren Verlauf für eine ausschließliche Ernährung des Kindes mit Formulanahrung entscheiden, kann die zusätzliche Supplementation aufgrund des Vitamin‑B12-Gehaltes der Formulanahrung ebenfalls beendet werden. Nach Absetzen der Vitamin‑B12-Supplementation sollte im Abstand von mehreren Monaten nochmals eine abschließende Überprüfung des Vitamin‑B12-Haushaltes einschließlich der funktionellen Marker erfolgen.

Sollte sich unter oraler Supplementation mit Vitamin B12 bei der ersten Kontrolle nach ca. 2 Wochen keine Normalisierung oder relevante Verbesserung aller Parameter des Vitamin‑B12-Haushaltes zeigen, sollten eine Fortführung bzw. Intensivierung der Therapie mit Vitamin B12 und eine weiterführende, molekulargenetische Diagnostik bezüglich der Differenzialdiagnose genetisch bedingter Störungen der Vitamin‑B12-Resorption erfolgen, wie im Folgenden noch weiter ausgeführt. Dies war bislang bei keinem der von uns behandelten Kinder erforderlich.

Abklärung der Ursachen des Vitamin-B12-Mangels bei der Mutter

Die Abklärung des Vitamin B12-Mangels bei Neugeborenen und Säuglingen sollte immer auch eine vollständige Diagnostik bezüglich des Vitamin‑B12-Haushaltes der Mutter umfassen. Hierzu sollten die in Tab. 1 genannten Parameter auch bei der Mutter bestimmt werden. Bei Nachweis eines Vitamin‑B12-Mangels oder funktionellen Vitamin‑B12-Mangels (Erhöhung der funktionellen Marker Homozystein und/oder Methylmalonsäure bei Vitamin‑B12-Spiegel im unteren Normbereich) auch bei der Mutter sollte für die Mutter eine weitere Abklärung möglicher Ursachen (vgl. auch Tab. 3) und eine Therapie nach internistischer Maßgabe erfolgen. Im Rahmen des Pilotprojektes zur Früherkennung des Vitamin‑B12-Mangels im Neugeborenenscreening am Screeningzentrum Heidelberg wird beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg auch eine systematische Untersuchung der Mütter von Neugeborenen mit Vitamin‑B12-Mangel angeboten. Diese führte bei mehreren Müttern zur Diagnosestellung bis dato unerkannter gastrointestinaler Resorptionsstörungen, z. B. im Rahmen einer Autoimmungastritis. Weitere medizinische Diagnosen der Mütter umfassten Colitis ulcerosa, Magenbypass, HELLP(„Hemolysis, Elevated Liver enzymes and Low Platelet count“)-Syndrom, schwere Panzytopenie aufgrund von Vitamin‑B12- und Folsäuremangel und eine Carbamazepin-Behandlung während der Schwangerschaft [8].

Tab. 3 Ursachen eines Vitamin‑B12-Mangels bei Säuglingen und Müttern

Beim überwiegenden Teil der betroffenen Mütter fand sich nach derzeitigem Stand der Untersuchung allerdings keine gastrointestinale Ursache. Die Mütter der identifizierten Kinder mit Vitamin‑B12-Mangel waren von unterschiedlicher ethnischer Herkunft und nahmen überwiegend eine ausgewogene Ernährung zu sich. Eine vegane oder vegetarische Ernährung als Erklärung des Vitamin‑B12-Mangels lag nur bei wenigen Müttern vor. Hingegen bestanden bei zahlreichen Müttern Ernährungsstörungen in der Schwangerschaft, beispielsweise aufgrund von rezidivierendem Erbrechen. Zahlreiche Mütter erhielten während der Schwangerschaft eine Eisensupplementation aufgrund einer Anämie, der Vitamin‑B12-Status wurde aber gemäß unserer Erhebung bei keiner der Mütter durch den betreuenden Gynäkologen untersucht [8]. Bei Frauen mit Anämie kann gleichzeitig ein Eisen‑, Vitamin‑B12- und Folsäuremangel vorliegen. Hämatologische Veränderungen aufgrund des Vitamin‑B12-Mangels können durch die Veränderungen aufgrund des Eisenmangels maskiert werden [17].

Bei den Müttern kann ein unerkannter Vitamin‑B12-Mangel zu schweren Krankheitssymptomen führen, und in weiteren Schwangerschaften wären weitere Kinder erneut von dem mütterlichen Vitamin‑B12-Mangel betroffen. Trotz einer allgemeinen Empfehlung zur präkonzeptionellen Supplementation von Folsäure – bei welcher viele Präparate auch Vitamin B12 enthalten – hatten 59 % der betroffenen Mütter in unserer Studie keinerlei Vitaminsupplementation vor oder während der Schwangerschaft eingenommen [8]. Diese geringe Adhärenz zu den Empfehlungen zur Folsäuresupplementation ist in Übereinstimmung mit früheren nationalen Erhebungen in Deutschland [24] und der Schweiz [1]. Hiervon scheinen Mütter mit Migrationshintergrund besonders betroffen zu sein, da sie möglicherweise auch größere Hemmschwellen bezüglich der Wahrnehmung von Vorsorgemaßnahmen haben [1, 8].

Die Mutterschaftsrichtlinien in Deutschland sehen derzeit keine routinemäßige Evaluation des Vitamin‑B12-Status in der Schwangerschaft vor. Das Bundeszentrum für Ernährung empfiehlt für alle Frauen eine ausgewogene Ernährung und den präkonzeptionellen Beginn einer Folsäuresupplementation, für Frauen mit vegetarischer Ernährung eine Ernährungsberatung und für Frauen mit veganer Ernährung den präkonzeptionellen Beginn einer Mikronährstoffsupplementation einschließlich Vitamin B12 und eine Kontrolle des Nährstoff- und Vitaminhaushaltes während der Schwangerschaft [19]. Von einer veganen Ernährung wird seitens der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und des bundesweiten Netzwerks „Gesund ins Leben“ für Schwangere und Stillende allerdings abgeraten [19, 21].

Es kann nicht vorausgesagt werden, ob alle Kinder mit milderem funktionellem Vitamin‑B12-Mangel, der im Neugeborenenscreening detektiert wird, später ohne Behandlung Symptome entwickelt hätten. Dies ist sicherlich abhängig von den weiteren Entscheidungen der Familie zur kindlichen Ernährung und dem Vitamin‑B12-Status der stillenden Mutter. Aufgrund von publizierten Fallberichten kann allerdings angenommen werden, dass auch ein milderer (funktioneller) Vitamin‑B12-Mangel nach mehrmonatigem Stillen durch eine Vitamin‑B12-defiziente Mutter und verzögerter Einführung von fleischhaltiger Beikost zu einem symptomatischen Vitamin‑B12-Mangel des Kindes führen kann. Stillen war die bevorzugte Form der Säuglingsernährung der im Rahmen des Heidelberger Pilotprojektes untersuchten Mütter von Kindern mit Vitamin‑B12-Mangel und wurde hier von 79 % aller Mütter gewählt [8]. Da Stillen mit zahlreichen gesundheitlichen Vorteilen für Kind und Mutter assoziiert ist [16, 18], sollte diese Ernährungsform, wo immer möglich, unterstützt werden. Ein Vitamin‑B12-Mangel von Kind und/oder Mutter spricht bei adäquater Supplementation von Vitamin B12 und entsprechenden Laborkontrollen keinesfalls gegen eine Fortsetzung des Stillens.

Vitamin-B12-Mangel im späteren Säuglingsalter

Ein sich erst im späteren Säuglingsalter entwickelnder Vitamin‑B12-Mangel kann z. B. durch verzögerte Einführung altersentsprechender Beikost bei ausschließlich gestillten Kindern bedingt sein. Diese Kinder zeigten in unserer Studie in der Regel ein unauffälliges Neugeborenenscreening [8]. Bei Kindern mit Risikofaktoren wie prolongierter ausschließlicher Muttermilchernährung ohne altersentsprechende Einführung von fleischhaltiger Beikost [18] sollte daher immer eine entsprechende Diagnostik inklusive des Vitamin‑B12-Status durch den betreuenden Kinderarzt veranlasst werden. Eine Übersicht möglicher Ursachen eines Vitamin‑B12-Mangels im Säuglingsalter sowie bei der Mutter ist in Tab. 3 dargestellt.

Die Behandlung eines im späteren Säuglingsalter aufgedeckten Vitamin‐B12-Mangels kann ebenfalls nach dem hier vorstellten Schema (Tab. 2) erfolgen. Auch in dieser Patientengruppe wurde das oben genannte Supplementationsschema von den Autoren bereits erfolgreich eingesetzt und hierunter die rasche Normalisierung aller Parameter des Vitamin‑B12-Haushaltes dokumentiert.

In seltenen Fällen können einem kindlichen Vitamin‑B12-Mangel – insbesondere bei Manifestation im späteren Säuglingsalter und fehlender Erklärung über die kindliche und/oder mütterliche Ernährungsanamnese – auch genetisch bedingte Resorptionsstörungen für Vitamin B12 zugrunde liegen [13]. Beispiele hierfür sind der hereditäre Intrinsic-Faktor-Mangel (GIF-Gen), das Imerslund-Gräsbeck-Syndrom (AMN- oder CUBN-Gen) oder der Transcobalamin-II-Mangel (TCN2-Gen). Aus diesem Grund muss nach Beginn der oralen Supplementation mit Vitamin B12 immer eine kurzfristige Kontrolle des Therapieansprechens durch Bestimmung der in Tab. 1 genannten Parameter erfolgen. Bei entsprechendem Verdacht anhand der Anamnese und/oder fehlender Normalisierung aller Parameter des Vitamin‑B12-Haushaltes unter oraler Supplementation sollte eine weiterführende, molekulargenetische Diagnostik bezüglich der Differenzialdiagnose genetisch bedingter Störungen der Vitamin‑B12-Resorption erfolgen. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung genetisch bedingter Resorptionsstörungen für Vitamin B12 anhand des Ansprechens auf eine orale Supplementation mit Vitamin B12 stellt einen weiteren Vorteil eines primär oralen Supplementationsschemas dar. Bei genetisch bedingten Resorptionsstörungen für Vitamin B12 wie beispielsweise dem hereditären Intrinsic-Faktor-Mangel (GIF-Gen) oder dem Imerslund-Gräsbeck-Syndrom erfolgt unter parenteraler Supplementation ebenfalls ein Anstieg des Vitamin‑B12-Spiegels, nicht aber unter oraler Supplementation. Wird hingegen bei Annahme eines alimentären Vitamin‑B12-Mangels primär parenteral supplementiert, könnte die weitere Differenzialdiagnostik bezüglich genetischer Ursachen des Vitamin‑B12-Mangels verzögert werden oder im ungünstigsten Fall die zugrunde liegende Erkrankung sogar unerkannt bleiben.

Schlussfolgerung

Die Früherkennung des Vitamin‑B12-Mangels im Neugeborenenscreening hat für betroffene Kinder einen hohen Nutzen. Aufgrund der bisherigen Ergebnisse aus aktuellen Pilotprojekten sind wir der Überzeugung, dass es sich beim Vitamin‑B12-Mangel um eine wichtige neue Zielkrankheit für das Neugeborenenscreening in Deutschland und anderen Ländern handelt. Ein zusätzlicher Nutzen ergibt sich auch für die Mütter mit bislang undiagnostiziertem Vitamin‑B12-Mangel.

Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Aufmerksamkeit für den Vitamin‑B12-Mangel schon in der Betreuung schwangerer Frauen erhöht werden muss und weitere präventive Ansätze bereits in der Schwangerschaft verfolgt werden sollten. Mütter, bei denen die Ursache des Vitamin‑B12-Mangels nicht in einer gastrointestinalen Resorptionsstörung besteht, würden von einer konsequenten präkonzeptionellen bzw. schwangerschaftsbegleitenden Supplementation mit Vitamin‑B12-haltigen Vitaminpräparaten profitieren. Dies kann durch Kombinationspräparate im Zuge der ohnehin empfohlenen Supplementation von Folsäure erfolgen.

Mit einer Inzidenz von bis zu einem betroffenen Kind unter 5300 untersuchten Neugeborenen ist der maternal bedingte Vitamin‑B12-Mangel häufiger als jede der metabolischen Zielkrankheiten des aktuellen Regelscreenings in Deutschland. Die Möglichkeit der vorgeschlagenen oralen Therapie ist daher für zahlreiche Kinder relevant, die bislang nur im Rahmen von Pilotprojekten identifiziert werden. Das hier dargestellte ausschließlich orale Behandlungsschema für den Vitamin‑B12-Mangel bei Neugeborenen und Säuglingen stellt eine effektive, kostengünstige, schmerzlose und damit besonders kinderfreundliche Behandlung dar.

Im Falle einer flächendeckenden Aufnahme des Vitamin‑B12-Mangels als Zielkrankheit in das Neugeborenenscreening könnten viele weitere Kinder in Deutschland und anderen Ländern von dieser Früherkennung und frühen Behandlung profitieren. Eine ideale Präventionsstrategie würde allerdings auch eine Untersuchung des mütterlichen Vitamin‑B12-Haushaltes im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge beinhalten.